Regionalisierungsprozesse - ein Wort, bei dem sich bei vielen erst einmal die Nackenhaare aufstellen. Denn der Begriff ist für einige eng verknüpft mit Chaos, Identitätsverlust der einzelnen Kirchengemeinden, fehlenden Ressourcen und Kommunikationsschwierigkeiten. Dass es anders geht, obwohl die Voraussetzungen alles andere als leicht waren, hat die Kirchenregion Bitterfeld-Wolfen gezeigt. Allem voran dabei Patrick Jung, 33 Jahre alt, und Ehrenamtlicher, der als Vorsitzender des Regionalbeirats den Zusammenlegungsprozess aktiv mitgestaltet hat. Von seinen Erfahrungen sollen auch andere profitieren können, weswegen wir mit ihm ins Gespräch kamen.
(Bild: Joeb07/wikipedia)
Menschen und Gemeinden fürchten um Ihre Einzelidentität
In der Kirchenregion Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt startete die Regionalisierung, wie sie vielerorts startet. Ein Pfarrer ging in Rente und es gab keine Nachbesetzung, weswegen sich die drei Pfarrstellen für 15 Gemeinden auf zwei reduzierten. Es wurde klar, dass nun auch Ehrenamtliche noch mehr eingebunden werden müssen, um die Arbeit zu stemmen.
Dafür wurde u.a. Patrick Jung in den Regionalbeirat berufen. Diese neue Institution, eine Art Kirchengemeinderat, zusammengesetzt aus Menschen der 15 Gemeinden (mehr als 50 % Ehrenamtliche) und den Hauptamtlichen, soll die Interessen der verschiedenen Gemeinden und Menschen vertreten und eine einstimmige Entscheidungsfindung in den acht Gemeindekirchenräten unterstützen.
Dass der Regionalbeirat dabei selbst keine Entscheidungsbefugnis hat, erschwert die Arbeit aber. Diese Einschränkung rührt daher, dass Regionalisierungsprozesse oft erstmals eine schmerzhafte Angelegenheit sind, in der viele Gemeinden und Einzelpersonen um ihre Möglichkeiten und Freiheiten fürchten.
Stimmungen können sich verändern
Doch, und das ist die gute Nachricht, die Stimmung in Bitterfeld hat sich gedreht. Das lag daran, dass einige Menschen mutig vorangegangen sind und immer wieder gezeigt haben, was die Regionalisierung auch Positives für die Region bedeuten kann.
Eine erste große Entscheidung stand an, als sich die Kirchenregion für eine passende Software entschied. Zuerst bildete sich ein Kernteam, was sich intensiv mit Kirchensoftwaresystemen auseinandersetze. Letztendlich fiel die Wahl auf ChurchDesk, gerade weil das Werkzeug “Multi-Gemeinde” für Gemeinden in Regionalisierungsprozessen gebaut wurde und es die einzige Kirchensoftware auf dem deutschen Markt ist, die sich ganz besonders auf Gemeindezusammenlegung spezialisiert.
Entscheidungen im Regionalisierungsprozess: 8 Tipps
“ChurchDesk war der Partner, der uns von Anfang an zeigte, dass er für unser Projekt da ist und uns begleitet. Vom ersten Moment an wussten wir, wo wir Hilfe bekommen - das war ein gutes Zeichen.”, erzählte uns Patrick Jung.
Doch, dass der Beirat nun eine Entscheidung getroffen hatte, war nur der erste Schritt, denn als Nächstes brauchte es noch die Zustimmung von acht verschiedenen Kirchengemeinderäten. Dies gelang am Ende tatsächlich und hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Prozess für Patrick Jung:
- Expertenteams bilden: Nicht alleine, aber auch nicht zu viele (ca. vier Personen), die sich in ein Thema einarbeiten und es dann vorstellen und erklären können. Dieses Team sollte sich aber dann viel Zeit nehmen, die Schlüsse anschaulich zu erklären. Bei ChurchDesk z.B. gibt es Gemeindeberater, die als Ansprechpartner die Sitzungen mit vorbereiten oder mit kleinen visuellen Hilfen wie Videos, etc unterstützen.
- Geduld: Sich alle Bedenken und Fragen anhören und nicht einfach darüber hinweggehen. Zwar werden Prozesse so verlangsamt, doch verliert man auch Menschen, wenn einfach über die Sorgen Einzelner hinweggegangen wird. In einem Gespräch kann man oft viel mehr klären.
- Viele Wege gehen: Die Wege nicht abkürzen, denn Entscheidungen betreffen viele Stellen wie Finanzen und Angebote an den verschiedenen Standorten. Es sollte Möglichkeiten geben, sich zu informieren und mitzuentscheiden.
- Vorteile genau verstehen und erklären d.h. nicht für ein Produkt werben, sondern für dessen Nutzen. Z.B. anstatt die Software ChurchDesk genau zu erklären, lieber erst einmal den Nutzen des eingesparten administrativen Aufwands, um den Pfarrpersonen den Rücken freizuhalten, in den Vordergrund rücken.
- Ehrenamtliche von Anfang an mitnehmen, da sie später vieles tragen werden.
- Für einen Entscheidungsprozess innerhalb einer solchen Struktur sechs Monate einplanen, um genug Platz für Rückfragen und Überzeugungsarbeit zu lassen.
- Für Fragen des Datenschutzes auch die Landeskirche einbinden.
- SMARTe (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) Ziele setzen, aufschreiben und nach Ablauf einer bestimmten Zeit prüfen. So sind Ergebnisse vorzeigbar.
Alle acht KGRs stimmten letztendlich der Einführung von ChurchDesk zu, was nur eine von hoffentlich vielen gemeinsamen Entscheidungen der Kirchenregion sein wird.
Regionalisierung ermöglich Krafteinsparung und gleichzeitig neue Projekte
“Anfangs hatten viel Angst, dass sie ihr Stück vom Kuchen nicht abbekommen. Das Endergebnis der Regionalisierung ist aber, dass in der Kirchenregion 15 Türme Bitterfeld-Wolfen alle ihr Stückchen Kuchen behalten, es aber auf eine gemeinsame Platte legen.” So sieht es jedenfalls Jung, für den Regionalisierung daher nicht nur schlecht ist.
Sie ermögliche es, Ehrenamtliche besser und effektiver einzusetzen, weil nicht jede Kirche alles selber brauche. Zudem schaffe sie auch ein Gefühl von Verbundenheit untereinander in der Stadt und Kirchen, die sich auf ein bestimmtes Profil wie z.B. Familien konzentrieren könnten. Wenn dann einmal ein großes Projekt ansteht, gibt es durch die Zusammenarbeit genug Manpower, wenn alle an einem Strang ziehen.