Sein Artikel in der ZEIT initiierte eine rege Diskussion über Kirche und Digitalisierung. Wie er das erlebt und welche Chancen er für die Kirche im Digital sieht, verrät uns Hannes Leitlein im Interview.
Die kirchliche Landschaft diskutiert zur Zeit rege über das Thema Kirche und Digitalisierung. Seit Wochen veröffentlichen allerhand Beteiligte diverse Artikel rund um den Hashtag #digitaleKiche. Angestoßen hat dies ein Beitrag in Christ & Welt. Grund für uns, das Gespräch mit dem Mann zu suchen, der den Stein ins Rollen brachte.
Hannes Leitlein (Jahrgang 1986) ist Autor bei Christ & Welt in der ZEIT. Er blickt nicht nur auf ein Theologiestudium zurück, sondern auch auf viele Jahre Engagement in der evangelischen Kirche - darunter einige Projekte, die von anderen gerne als Vorreiter bezeichnet wurden. Er ist verheiratet und lebt in Berlin.
Herr Leitlein, wie fühlt es sich an, das vielleicht seit langem am intensivsten diskutierte, kirchliche Thema gesetzt zu haben?
Es ist mir ehrlich gesagt etwas unangenehm, dass das so wahrgenommen wird. Über Kirche und Digitalisierung wird schon lange gesprochen. Ich bin sicher nicht der erste, der sich darüber Gedanken macht oder dazu etwas geschrieben hat. Vielleicht der erste mit der nötigen Reichweite, dem richtigen Geschlecht, der richtigen Hautfarbe und Sprache, um das Thema auf die Agenda zu hieven.
Was an der Diskussion hat Sie überrascht?
Wie viel Platz und Zeit doch noch übrig zu sein scheint für Allgemeinplätze und Selbstverständlichkeiten. Kritik wurde bisher nur sehr vorsichtig oder an Begrifflichkeiten vorgetragen. Mein Text war ja recht einseitig, ich wollte Widerspruch – eine politische, theologische, ekklesiologische Debatte. Mir ist das alles zu zahm.
Und gab es auch Haltungen, die Sie befremdeten?
Es scheint wirklich noch immer Leute zu geben, die glauben, die Kirche könnte sich aus dieser tiefgreifenden Entwicklung heraus halten. Keine Frage, man muss die Digitalisierung kritisch sehen. Sie birgt echte Gefahren für die Demokratie, für die Gesellschaft, die Kirche – aber sie geht halt auch nicht mehr weg.
Sie haben selbst Theologie studiert, den Weg ins Pfarramt jedoch bisher ausgeschlagen. Ist es vielleicht manchmal wirksamer, Veränderungs-Impulse nicht aus einer Position innerhalb der Kirchenhierarchie zu setzen?
Nur weil ich kein Amt habe, bin ich ja nicht von draußen, auch wenn es sich manchmal so anfühlt und vielen das vielleicht lieber wäre. Aber darauf will ich mich nicht mehr einlassen. Ich bin Teil der Kirche. Dass ich nicht von ihrem Geld und ihren Strukturen abhängig bin, mag ein Vorteil sein. Aber das sollte doch auch für Leute gelten, die ständig von der Freiheit eines Christenmenschen reden.
Sie beschreiben die innerkirchlichen Zustände als “Wandern im finstren Digital” - welche Möglichkeiten der Digitalisierung denken Sie, sollten Kirchen verstärkt nutzen?
Zu allererst: Gott ist schon im Internet, die Kirchen müssen ihn da nicht erst hinbringen. Und auch die Kirche ist schon dort vertreten, durch viele Christinnen und Christen, die ganz selbstverständlich im Digital unterwegs sind. Deshalb sollten die Kirchenämter hören, was die Pioniere von dort zu berichten haben – und vielleicht sollten sie auch ein paar davon finanziell dafür freistellen.
Welche möglichen Vorteile machen Sie aus, wenn die Kirche die Chancen der Digitalisierung aktiver nutzen würde?
Der Vorteil für die Kirche: sie wird ihrer Sendung in die Welt gerecht, sie bleibt relevant für Menschen, ohne die sie nicht bleibt. Und diese Menschen bekommen Deutung, Hoffnung, Beistand.
Nun bieten wir als ChurchDesk ja auch diverse digitale Tools an, die speziell auf den kirchlichen Bedarf zugeschnitten sind. Sollten Sie doch einmal den Weg ins Pfarramt wählen - welches Feature fänden Sie am hilfreichsten?
Alles, was Zeit schafft für die Kernaufgaben einer Gemeinde und gleichzeitig Verwaltungsaufwand reduziert, hilft.
Und welche Funktionen würden Sie unserem Entwickler-Team an das Herz legen für zukünftige Updates?
Eine regelmäßige Abfrage: Kann das weg? Sollten wir diesen Bereich aufgeben, dieses oder jenes lassen? Quasi eine Trial and Error-Funktion – wobei Kirchens schon ziemlich gut im Versuchen ist, nur noch nicht so gut im Seinlassen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Den Artikel, der die Diskussion anstieß finden Sie hier auf ZeitOnline.
Eine Übersicht, über den Verlauf der Diskussion können Sie auf KirchenKommunikation einsehen.