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Blick über den Tellerrand: Wie digitalisieren jüdische Gemeinden?

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Wie gehen andere Religionen als die christlichen Kirchen mit der Digitalisierung um? Wie geht es zum Beispiel den rund 95.000 Menschen, die aktuell Mitglieder von jüdischen Gemeinden sind? Bei genauerem Hinsehen zeigen sich große Überschneidungen mit den digitalen Entwicklungen in den christlichen Kirchen, aber auch eindeutige Unterschiede. 

Auch in jüdischen Gemeinden wird Digitalisierung immer wichtiger

Digitalisierung hat mehr als eine Bedeutung. Das gilt natürlich auch in den rund 130 jüdischen Gemeinden in Deutschland. Beim Digitalfachtag der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) im Dezember 2021 wurde die Digitalisierung laut der jüdischen Allgemeinen zum Beispiel unter dem Aspekt der inneren Verwaltung der Gemeinden, der Kommunikation nach außen und der internen Mitgliederkommunikation diskutiert. 

Was bedeutet das ganz konkret? Ist ein digitales Gemeindeleben ein Anspruch, der in Deutschland eine große Rolle spielt? Ja, glaubt Sarah Serebrinski, weshalb digitale Werkzeuge heute auch in die Ausbildung von Rabbinern aufgenommen werden. Sie ist Geschäftsführerin des Rabbinerseminars zu Berlin. Es ist wie wie andere jüdische Einrichtungen, darunter der Sitz des Zentralrats der Juden und die größte jüdische Gemeinde Deutschlands mit mehr als 10.000 Mitgliedern, Teil des jüdischen Lebens in Berlin. 

Digitale Schlüsselqualifikationen am Rabbinerseminar

Das Rabbinerseminar ist unabhängig von der jüdischen Gemeinde und bildet seit 2009 orthodoxe Rabbiner aus. 1938 wurde das Rabbinerseminar von den Nationalsozialisten geschlossen. Doch mit Beginn der 90er-Jahre und dem wachsenden Zuzug von jüdischen Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion wurde das Bedürfnis immer größer, auch in Deutschland wieder orthodoxe Rabbiner ausbilden zu können. 

In den orthodoxen und damit traditionellen Strömungen gibt es jedoch auch Menschen, die der Digitalisierung eher kritisch gegenüberstehen. Trotzdem haben Schlüsselqualifikationen wie “der Umgang mit den sozialen Medien” einen festen Platz im Sommersemester der Ausbildung. Dabei gehe es darum, den verantwortungsbewussten Umgang zu stärken: “Gerade in der Pandemie hat das Thema der digitalen Gemeinde einen Aufschwung erfahren, da immer mehr jüdische Gemeinden digitale Mittel als eine der wichtigsten Arten der Kommunikation mit den Mitgliedern ansehen”, erzählt Serebrinski. 

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Digitaler Unterricht am Rabbinerseminar zu Berlin (Foto:Rabbinerseminar) 

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Wer diese Aufgaben der Kommunikation schlussendlich übernimmt, ist ganz individuell. In kleineren Gemeinden sind es oft die Rabbiner selbst, in größeren Gemeinden wie in Düsseldorf gibt es dafür eigens Beauftragte, die sogar Podcasts produzieren

Die Digitalisierung verändert das jüdische Gemeindeleben und dies betrifft auch ganz besonders die Gottesdienste. Diese sind nämlich ein wichtiger Teil des alltäglichen Glaubens und laut einer Studie des Zentralrats der Juden die von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern am häufigsten besuchte Veranstaltung in Synagogen. Laut dem Gemeindebaromenter werden über 48 Prozent der Gemeindemitglieder über den Newsletter, 20 Prozent über die Homepage und 33 Prozent durch soziale Medien über aktuelle Geschehen in der jüdischen Gemeinde informiert. Zudem hält die Studie fest: “Bereits jetzt ist festzustellen, dass die Pandemie die jüdische Landschaft in Deutschland längerfristig verändern wird. Die zunehmende Akzeptanz von Onlineangeboten bietet Chancen für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland.” 

Eigenheiten des jüdischen Digitalisierungsprozess

Viele, die heute mit digitaler Kirche arbeiten, werden also so manche Parallelen in der Entwicklung im Judentum entdecken. Doch es gibt auch einige Punkte, an denen das Judentum ganz eigene Fragestellungen und Schwerpunkte hat. So nutzen zumindest traditionelle Juden keine moderne Technik am Sabbat, da diese dem Ruhegebot widerspricht. Livestreamgottesdienste oder eine Übertragung der Feier waren damit auch in Coronazeiten nicht möglich. Deshalb mussten neue Konzepte und Ideen her, wie ein Livestream vor Sabbatbeginn oder nach Sabbatende. 

Für David Rubinstein, Geschäftsführer der jüdischen Gemeinde in Hamburg, bedeutet die Digitalisierung vor allem, den Kontakt mit den Gemeindemitgliedern herzustellen und diese zu Gottesdiensten und Veranstaltungen einzuladen. In diesem Jahr will man hier die Webseite angehen. “Eine Homepage ist wie das Gesicht einer Institution und ob ich Interesse für etwas entwickle, was ich noch nicht kenne, hängt eben auch stark von meinem Eindruck ab. Nach außen hin sind wir da eigentlich ganz zufrieden, aber intern ist da noch Verbesserungsbedarf, denn wenn das System kompliziert ist, schreckt das Mitarbeiter ab, die Webseite aktuell zu halten. Aber genau das ist wichtig. Wenn der letzte Eintrag eineinhalb Jahre alt ist, dann fragt man sich, ob es die Gemeinde überhaupt noch gibt.”, ergänzt Rubinstein. Auch soziale Medien spielen eine immer größere Rolle in Hamburg. Hiermit möchte man vor allem jüngere Menschen erreichen und diese zum Beispiel über den Beginn oder das Ende eines bestimmten Feiertags informieren und zu Veranstaltungen einladen. 

Veränderung hängt an der Eigeninitiative

Auch in der jüdischen Landschaft in Deutschland tut sich viel in punkto Digitalisierung, zum Beispiel “Frag-den-Rabbiner”-Facebookgruppen, jüdische Influencer wie Rabbi Manis Friedmann auf Instagram oder die Bloggerin Juna Grossmann. Auch die Arbeit des Zentralrats der Juden spielt eine große Rolle, der über soziale Medien und die Arbeit im Internet über jüdische Themen aufklärt und informiert. 

Wie im Bereich der digitalen Kirche kommt es dabei aber oft auf die Größe und Ausrichtung der einzelnen Synagoge und deren Mitglieder an. Und wie auch jede Kirchengemeinde muss auch jede jüdische Gemeinde da ihren eigenen Weg finden. Auch wenn natürlich gilt, dass keine Gemeinde zu klein für digitale Schritte ist.

Topics: digitale Kirche

Alissa Kim Neu
Alissa Kim Neu
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