Die Jugend ist digital und somit von Kirche im Netz erreichbar - die ältere Generation aber auch. Im Gespräch mit Lucas Söker, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Landesjugendpfarramt in Oldenburg, über digitale Vorurteile und eine notwendige Veränderung des Mindsets.
Lucas Söker stammt aus dem Friesland und ist neben seiner Arbeit für das Landesjugendpfarramt als freiberuflicher Berater und Unterstützer zu Digitalthemen- und Veranstaltungen aktiv.
Unterstützung digitaler Formate
Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg veranstaltet sogenannte Digital Labs. Was genau ist das?
Lucas Söker: Digital Labs sind Fortbildungsformate zum Thema Digitalisierung, die wir für Beschäftigte in Jugendarbeit, Religionspädagogik und Schulen anbieten, aber prinzipiell auch allen anderen Interessierten offen stehen.
Und wie liefen die ersten Veranstaltungen ab?
Lucas Söker: Es gab bereits eine Auftaktveranstaltung und ein Basisseminar zum Thema des digitalen Engagements. An manchen Stellen haben wir uns manchmal noch mehr erhofft, aber es gab einen guten Austausch und wir hoffen, dass noch mehr Interessierte von uns hören und das Angebot wahrnehmen.
Professioneller Einsatz von Zoom, Switch und Co. in der Kirche
Wie kamen Sie darauf, die Digital Labs zu starten?
Lucas Söker: Wir wollten Fortbildungen koordinieren und Zielgruppen zusammenbringen. Als wir dann unter Multiplikatoren in der Religionspädagogik und Jugendarbeit nachgefragt haben, wurde schnell klar, dass es einen großen Bedarf daran gibt, mehr über digitale Tools zu lernen. Also nicht in dem Sinne, dass eben schnell mal Zoom erklärt wird, sondern langfristige und tiefere Einführungen und Tipps.
Auf Ihrer Webseite werden die Digital Labs als Aufbruch bezeichnet. Wohin soll der Aufbruch gehen und wovon muss man sich da vielleicht lösen?
Lucas Söker: In der oldenburger Kirche sprechen wir schon seit Jahren darüber, dass “man eigentlich digitaler werden sollte.” Dass Sitzungen online stattfinden und Gremien entschlackt werden sollten. Aber oft passiert das nicht, weil den zuständigen Kollegen das Know-How fehlt, um solche Veränderungen wirklich erfolgreich durchzuführen. Das Digital Lab soll da einen Aufbruch bringen, weil Menschen in digitalen Formaten bestärkt und so digitale Formate ausgebaut werden können.
… ohne dabei analoge Treffen zu ersetzen?
Lucas Söker: Ohne dabei diese zu ersetzen. Es geht ums Zusammenführen und möglich machen, nicht darum, dass wir uns alle nie wieder treffen wollen.
Die jugendliche Lebenswelt ist digitaler
Sie bieten viele verschiedene Workshops an. So kann man zum Beispiel lernen, Podcasts zu produzieren. Kritische Stimmen könnten nun sicherlich fragen, inwieweit es die Jugendarbeit denn stärkt, wenn Multiplikatoren etwas über Podcasts lernen?
Lucas Söker: Es bestärkt sie ganz ungemein, denn dabei geht es darum, die Lebenswelt von Jugendlichen ernst zu nehmen. Wenn also ein Verantwortlicher in der Jugendarbeit weiß, dass seine Jugendliche gerne Podcasts hören und er über dieses Medium in Kontakt mit ihnen in ihrer Lebenswelt kommt, ist das sehr hilfreich.
Wie kann dieses Ernstnehmen der Lebenswelt noch gestärkt werden außer durch solche Angebote, wie das DigitalLab sie bietet?
Lucas Söker: Ich glaube, wir brauchen erst einmal einen grundlegenden Wandel bei den Menschen. Fürsprecher, die verstehen, dass Digitalisierung nicht mehr weggeht, aber dass das Digitale das Analoge nicht ersetzt.
Gibt es davon nicht schon sehr viele?
Lucas Söker: Viele Menschen haben einen inneren Wandel ihres Mindsets noch nicht vollzogen und sind nicht bereit, sich auf die Digitalität einzulassen. Da kann man dann Werbung machen, so lange man möchte, wenn die Menschen nicht verstehen, dass Digitalisierung nichts Böses ist.
Digitale Jugendarbeit voranbringen
Durch Ihre Arbeit für das Landesjugendpfarramt in Oldenburg haben Sie auch immer wieder viel mit Jugendlichen und jungen Menschen zu tun. Ist da die Frage der Digitalisierung und der digitalen Kirche wirklich eine solche Generationenfrage, wie es manchmal dargestellt wird?
Lucas Söker: Nein, das lässt sich leicht beantworten. Es gibt in beiden Generationen unterschiedliche Haltungen zur Digitalisierung.
Aber bei der jüngeren Generation finden wir zumindest eine größere digitale Selbstverständlichkeit, oder?
Lucas Söker: Nun, das stimmt zwar, da sie mit den Technologien aufwachsen und so näher an ihnen dran sind. Trotzdem würden viele Jugendliche ihre Whats-App-Nachrichten nicht unbedingt als Teil der Digitalisierung beschreiben, sondern als ihr einfachstes Kommunikationsmittel. Auch viele von ihnen finden es nicht unbedingt gut, wenn Veranstaltungen prinzipiell digital stattfinden.
Soziale Medien im kirchlichen Kontext
Gibt es auch ein zu viel an digitaler Kirche und vor allem ein zu viel an sozialen Medien für junge Menschen?
Lucas Söker: Die Chance der sozialen Medien besteht darin, dass ich mit meinen Mitgliedern kommunizieren, sie einbinden und ihre Erwartungen ernst nehmen kann. Das merken wir besonders bei Jugendlichen, da sie dort gut erreichbar sind. Wir fragen z.B. manchmal welche Lieder sie sich wünschen oder welche Farbe der neue Turnbeutel haben soll. Ein zu viel wird es aber, wenn jede Kirche am Sonntag einen Youtube-Gottesdienst streamt und der Gottesdienst vor Ort vernachlässigt wird. Da braucht es mehr Koordinierung. Zudem darf Social Media nicht alles ersetzen - die Chancen sollte man aber schon nutzen.
Soziale Medien haben aber nachweisliche auch negative Auswirkungen auf junge Menschen. Sollte Kirche da nicht manchmal mehr ein Zurück in die Realität anbieten, als sich so viel online herumzutreiben?
Lucas Söker: Es ist wichtig, dass Kirchen auch die Risiken von sozialen Medien kennen. Nur weil ich Jugendliche miteinbeziehe bezüglich der Farbe ihres Turnbeutels heißt das nicht, dass ich alle Partizipationsformen ins Netz verlagern sollte. Wir sollten da nicht den Kontakt verlieren.
Dringende Schritte in der Digitalisierung von Kirchen
Auf ihrer Webseite steht, dass eine hochgeladene PDF nicht unbedingt ein Teil von Digitalisierung sei. Was meinen Sie damit?
Lucas Söker: Nur weil jemand den Gemeindebrief auf die Webseite hochlädt, ist das nicht unbedingt Digitalisierung. Jedenfalls nicht, wie ich sie verstehe, denn Digitalisierung soll doch Hürden abbauen. Da ist so ein Gemeindebrief erst dann richtig sinnvoll, wenn die Links und Formulare zugreifbar sind und nicht erst separat eingetippt werden müssen.
Warum setzen Sie sich persönlich so sehr für Digitalisierung ein?
Lucas Söker: Ich möchte nicht, dass Kirche immer den Stempel aufgedrückt bekommt, stehen geblieben zu sein. Ich möchte zeitgemäße Arbeit gestalten mit Jugendlichen, als auch mit der verfassten Kirche. Damit wir uns nicht wundern, wenn Menschen gehen, weil wir beim 10-Uhr Gottesdienst stehengeblieben sind.
Wo sehen Sie Bereiche in der Kirche, in denen dringend über Digitalisierung gesprochen werden müsste?
Lucas Söker: Ich glaube, es geht um einen Geist, der bereit ist, mehr auszuprobieren. Menschen müssen sich erst verändern, bevor sich die Kirche verändert. Wir benutzen auch ChurchDesk und so gut die Software auch ist - solange sich die Menschen nicht drauf einlassen, bringt sie nicht halb so viel. Menschen müssen sich für Neues öffnen und es braucht mehr Platz zum Scheitern. Oft ist es ein großes Drama, wenn Projekte in der Kirche scheitern, doch sollte man solche nicht nur als verschwendete Ressourcen, sondern als Lernmöglichkeit sehen.