Pastorin Josephine Teske (@seligkeitsdinge_) feiert im Advent auf Instagram live Andachten. Morgens um 6 Uhr. Mit hunderten Zuschauenden.
Es ist kalt, als ich morgens um kurz nach sechs die Wohnung verlasse. So richtig klirrende Kälte, die einem unter die zahlreichen Klamottenschichten zieht. Ich bin auf dem Weg zum Bahnhof, um nach Berlin zur Arbeit zu fahren. Schlaftrunken setze ich mich in die Bahn, fische in meiner Tasche nach meinem Handy und öffne gedankenlos Instagram. Ich stutze. Da ist jemand live. Um viertel nach sechs Uhr morgens! Und was ich noch unglaublicher finde: Neben mir schauen über 300 andere Menschen diesen Livestream an. Was ist das für eine Welt, die ich - weil normalerweise schlafend - nie kennengelernt habe?
Josephine Teske (@seligkeitsdinge_) hält in der Adventszeit fast jeden morgen live auf Instagram eine Andacht. Es geht um Erwartungen, Trost, um Gleichnisse und Heilige. In ihrem Format schafft sie es, Ruhe und Besinnlichkeit zu erzeugen. Das Innehalten, das Kirche so gerne verspricht, ist hier direkt in meinen Alltag gekommen. In einer unruhigen U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit atme ich plötzlich durch und feiere Advent. An einem Zwischen-Ort ist ein
neuer Raum entstanden.
Phine ist Pastorin in einer Hamburger Gemeinde. Auf Instagram lässt sie ihre Follower*innen Anteil haben an ihrem Arbeitsleben, an den Herausforderungen des Alltags, daran, was sie motiviert und trägt, was sie frustriert und wütend macht, und eben auch an geistlichen Inhalten wie den Andachten. Mit 38.700 Follower*innen (Stand: Dezember 2022) ist sie die erfolgreichste landeskirchliche Pfarrperson auf Instagram. Und das ist kein Wunder: Phine schafft es, transparent und authentisch auf einer Plattform zu kommunizieren, die für ihre Oberflächlichkeit bekannt ist. Man hat bei ihrem Account das Gefühl, eine echte Person als Gegenüber zu haben. Da ist nichts Aufgesetztes in ihren Inhalten, sondern mit großer Offenheit und schonungsloser Ehrlichkeit nimmt Phine ihre Followerschaft mit in ihren Alltag.
Die Andachten verhallen dabei nicht im leeren Raum. In den Kommentaren zum Livestream teilen die Zuschauenden ihre Gedanken. "Diese Minuten sind mir Trost. Danke von ganzem Herzen für deine Worte", schreibt da jemand, oder: "Ich höre die Andacht immer kurz nach dem Aufwachen, allerdings in Florida, also bei euch am Nachmittag. Gibt mir etwas Vertrautes, Weihnachtliches hier in der Ferne, ohne meine Familie...". Um die Inhalte herum ist eine Community entstanden, die den adventlichen Raum teilt, die miteinander und mit Phine im Gespräch ist.
Am Beispiel dieses Andachtsformats ist gut erkennbar, was für eine Chance Soziale Medien wie Instagram sein können, Glauben und Spiritualität in den Alltag zu bringen - ganz niedrigschwellig und unaufgeregt. Natürlich muss nicht jede Pfarrperson in den Sozialen Medien aktiv sein. Aber wie schön, dass es Menschen wie Phine (und weitere kirchliche Creator in den Sozialen Medien) gibt, die diese Plattform für sich und ihre Arbeit entdeckt haben und so Glaubensinhalte in den Alltag bringen. So gibt es sogar an einem langen Arbeitstag ein kleines bisschen Advent für mich - morgens um 6 in der U-Bahn.
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