Wie kann kirchliche Gremienarbeit konkret verbessert werden? Wir haben darüber mit Ihnen diskutiert in unserer ChurchDesk-Ideenschmiede und fassen hier die Ergebnisse und Ideen zusammen.
Wer entscheidet eigentlich was in einer Kirche? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, da sie von vielen Faktoren abhängt - von der Konfession (evangelisch lutherisch oder reformiert, katholisch, freikirchlich...) und der regionalen Zugehörigkeit der Gemeinde, weil die Entscheidungswege nicht überall gleich sind. Wer aber glaubt, dass Entscheidungen über die Ausrichtung, den Gemeindebau oder die neue Diakonin nur vom Herrn Pfarrer oder der Frau Pastorin getroffen werden, der irrt sich. Meistens steht dahinter ein Netz aus über,- unter,- und gleichgeordneten Institutionen. Eine davon ist der Kirchengemeinderat/ Kirchenvorstand/ Presbyterium/ Pfarrgemeinderat. Das sind viele Namen für das wichtigste Gremium in einer Kirchengemeinde.
Wie diese wichtige Arbeit sich in Coronazeiten verändert hat, was sie ausmacht und wie sie besser werden kann, darüber haben wir in unserer siebten ChurchDesk-Ideenschmiede am 18. Februar 2022 mit Teilnehmern aus ganz Deutschland und drei Panelisten diskutiert.
Für Bernd Neukirch, Studienleiter für Gemeindebetreuung im Amt für kirchliche Dienste der EKBO, gibt es verschiedene Bausteine, die eine wichtige Rolle bei digitaler, kirchlicher Gremienarbeit spielen. Zum einen gibt es da die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in jeder Kirche anders geregelt sind, aber zumindest in den ev. Landeskirchen immer die Möglichkeit bieten, Gremiensitzungen online stattfinden zu lassen.
Zum anderen gibt es die persönlichen Rahmenbedingungen. Das bedeutet, dass jeder Mensch ganzheitlich in einer Sitzung ankommt, mit allem, was ihn prägt, einem Bedürfnis nach sozialer Interaktion und einer individuellen Energiekurve. Auf diese Bedürfnisse müssten die Organisatoren von Sitzungen eingehen, in dem ausreichende Pausen geschaffen, Zeitbudgets geplant und berücksichtigt, Schriftliches vorbereitet wird und Sitzungspunkte im Vorhinein austariert werden (keine Sitzung über zwei Stunden!).
Ein weiterer Baustein ist die Technik. Die ausreichende Einführung aller in die benutzte Technik sei demnach zentral, um niemanden der Anwesenden zu überfordern. Auch mit klaren Rollen, die den Einzelnen zugedacht werden, können Sitzungen sauberer geleitet und die Einzelnen entlastet werden.
Dr. Holger Pyka, Gemeindepfarrer und Dozent am Predigerseminar in Wuppertal, brachte gleich sieben Tipps für eine bessere Sitzungskultur in seinem 5-Minuten-Impuls unter:
1. Was gut im Analogen funktioniert, funktioniert auch oft gut im Digitalen (gute Vorbereitung, fristgerechte Einladung, klare Tagesordnung etc.). Eine schlechte Predigt wird auch nicht besser, wenn man sie auf YouTube stellt und vice versa.
2. Die Kirchen müssen aufhören, in ihrer Anmoderation die Krise zu verewigen, indem sie digitale Formate als minderwertigen und schlechten Ersatz darstellen und ihre Existenz bedauern ("Leider können wir uns ja heute nicht in echt treffen, sondern NUR online...").
3. Räume für informelle Begegnung schaffen mit Onlineangeboten wie Wonder oder Gathertown und der Möglichkeit zu privaten Chats.
4. Die Moderation sollte sich auf ihre Aufgabe konzentrieren können und andere Dinge wie z.B. technisches Management der Zoom-Sitzung anderen überlassen.
5. Die Möglichkeiten der flexibleren, digitalen Orte nutzen und sonst ortsgebundene Experten oder Gemeindemitglieder in Sitzungen einladen.
6. Jedem TN zu Beginn eine "Ich-Zeit" zugestehen, in der eigene Gedanken und Bedürfnisse ausgedrückt werden können. So ist ein gemeinschaftlicher Fokus später oft besser möglich.
7. Sinnliches gemeinsames Erleben der Sitzung möglich machen, z.B. durch Schokolade im Briefkasten, die vorher verteilt wird, oder ähnliche Ideen.
27 Jahre lange Erfahrung als Presbyter - das hat Georg Bender aufzuweisen. In verschiedensten Lebensphasen arbeitete er im Kirchenvorstand einer landeskirchlichen evangelischen Gemeinde in Bad Berleburg mit und hat viele Eindrücke gesammelt. Für ihn wurde es irgendwann wichtig, die Organisation des Gremiums auf digitalen Boden zu stellen, da es außerhalb und innerhalb der Kirchenvorstandsarbeit immer wieder zu Komplikationen durch belegte Räume, Formulare auf dem Postweg etc. kam. Die Entdeckung und Umsetzung von ChurchDesk war daher ein Schlüsselerlebnis für ihn. Aber, und das werden alle, die in Gremien aktiv sind, wissen, ist es oft gar nicht so leicht, dass alle am gleichen Strang ziehen.
Georg Bender hält deshalb die Einführung digitaler Werkzeuge für "Erziehungsarbeit", die aber auch nach dem Kraftakt der Motivation vieles erleichtern. Er selbst profitiert auch auf andere Weise von den digitalen Sitzungen, die sein der Kirchenvorstand nun hält: Denn trotz seiner Schwerhörigkeit kann er nun wieder problemlos alles verstehen und voll konzentriert teilnehmen.
Für viele, die in Gremien aktiv sind, stellt sich immer wieder die Frage, wie die Zukunft aussieht, denn besonders das Engagement im Kirchenvorstand ist eine sehr zeitintensive Tätigkeit, da sie mit hoher Verantwortung einhergeht und immer weniger Interessierte anlockt. Da kann es hilfreich sein, Gremien fluider zu verstehen und sie mit Menschen zu besetzen, die genau in einem Bereich Expertise haben, aber sie auch nur für diesen Bereich einzusetzen.
Ausschussstrukturen schaffen Entlastung, wenn zuvor klar definiert wurde, was sie dem einzelnen Kirchenvorstand abnehmen und sie mit Prokura versehen werden. (Dabei gilt zu beachten, dass es in einigen Landeskirchen rechtliche Bedingungen gibt, die diese Möglichkeiten einschränken.)
Zudem gilt der geflügelte Satz: "This meeting could have been an e-mail. - Dieses Treffen hätte auch in mit einer E-Mail erledigt sein können". Es gilt, Treffen gut vorzubereiten und zu delegieren um so Sitzungen zu entlasten und mit passendem Inhalt zu füllen. Möglichkeiten dafür gibt es per Delegation Poker oder Open Slides für geheime, digitale Wahlen.
Was für viele zuerst eine große Umstellung war, daran haben sich die meisten mittlerweile gewöhnt. Auf Annehmlichkeiten wie digitale Formulare und hybride Meetings wollen deshalb die wenigsten Kirchenvorstände in Zukunft verzichten. Gerade in solchen Bistümern und Kirchenkreisen haben sich digitale Meeting bewährt, die auf großer Fläche verteilt sind und wo durch die wegfallenden Fahrtwege viel Zeit gespart wird.
Trotzdem muss dort auch auf die Balance geachtet werden: wo es für den Familienvater vielleicht einfacher wird, da er sich digital von zuhause zuschalten kann, ist es natürlich für die diejenigen schwieriger, die Probleme mit dem Netz haben und Sitzungen nur mit großen Störungen wahrnehmen können.